Jüdische Erwartungen

Schon während der babylonischen Gefangenschaft (etwa 606-536 v.Chr.), aber dann auch in der Zeit „zwischen den Testamenten“ (etwa 400 v.Chr. bis 40 n.Chr.) wuchs unter den Juden die Sehnsucht nach einem Befreier. Sie studierten die Schrift und erwarteten, dass der Messias ein Sohn Davids, ein König, sein würde. Deshalb deuteten sie auch den dunklen Ausdruck „Schilo“ in 1Mo 49,10 auf den Messias. Sie fanden einen Messias, der Sieger über die Feinde Israels und Herrscher über die Völker sein würde. Er würde auch der Richter sein, der die Gottlosen bestraft und den Armen aufhilft. Sein Frieden käme vor allem den Tätern der Tora, der fünf Bücher Mose, zugute. Generell wird vom Messias einerseits die Vernichtung der Feinde Israels und der Sünder erwartet, andererseits aber auch die Sammlung Israels und seine Herrschaft über dessen Stämme.

Interessant ist, dass die endzeitlich orientierte Qumrangemeinschaft außer dem Messias aus dem Haus Davids noch einen zweiten, den „Messias Aarons“, erwartete. Der „Messias Aarons“ würde natürlich der Hohe Priester sein und ein Toragelehrter, der das Volk des Neuen Bundes unterweisen würde. Nach Sicht der Qumrangelehrten wird in der Endzeit die königliche Herrschaft allerdings dem Priestertum untergeordnet sein.

Kritische Diskussionen

Nun weist Matthäus gleich am Anfang seines Evangeliums, als er den Stammbaum von Jesus aufführt, darauf hin, dass Jesus auch Messias genannt wurde. Als Jesus am achten Tag nach seiner Geburt in den Tempel zur Beschneidung gebracht wurde, kam der alte Simeon herzu, weil er vom Heiligen Geist die Gewissheit erhalten hatte, dass er nicht sterben werde, bevor er den vom Herrn gesandten Messias gesehen habe. Selbst Herodes fragte danach, wo der Messias geboren werden würde, denn er fürchtete die Geburt eines neuen Königs.

Als Jesus seine Jünger fragte, was sie über ihn dachten, sagte Petrus: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Es fällt auf, dass Jesus selbst diesen Titel nur ganz selten gebrauchte. Denn kurz danach schärfte er seinen Jüngern ein, niemand zu sagen, dass er der Messias sei, was andererseits aber auch bedeutet, dass er sich sehr wohl bewusst war, der Messias zu sein. Selbst nannte er sich lieber „Menschensohn“, vielleicht auch, um keine falschen messianischen Hoffnungen bei den Juden aufkommen zu lassen.

Auch das Volk diskutierte über den Messias. Die Frau am Jakobsbrunnen sprach die Vermutung aus, dass Jesus vielleicht der Messias sein könnte, weil er sie mit ihrer Vergangenheit konfrontiert hatte. Andere meinten, dass niemand wissen könnte, woher der Messias einmal kommen würde. Die Herkunft von Jesus aber wäre bekannt. Wieder andere meinten, dass der Messias kaum mehr zeichenhafte Wunder tun würde als Jesus. Die einen sagten, er wäre der Messias, andere er wäre es nicht, weil der Messias nicht aus Galiläa kommen würde.

Als schließlich der Hohe Priester ihn fragte: „Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott: Bist du der Messias, der Sohn Gottes, oder nicht?" bestätigt Jesus das. Das war dann der Grund ihrer Anklage vor Pilatus: Er behauptet, der Messias, also ein König, zu sein. Pilatus fragte ihn dann direkt, ob er der König der Juden sei, was Jesus ebenfalls bestätigte. Den Emmaus-Jüngern erklärte der Herr nach seiner Auferstehung: „Musste der Messias nicht das alles erleiden, bevor er verherrlicht wird?“