Die Schriftstellen

[2. Sam 12,31] Die Bevölkerung der Stadt ließ David Zwangsarbeiten verrichten. Er stellte sie an Steinsägen, eiserne Pickel, eiserne Beile und Ziegelformen. So machte er es auch mit den anderen Städten der Ammoniter. Dann kehrte er mit dem ganzen Heer nach Jerusalem zurück.

Die alte Lutherbibel (und sinngemäß die nichtrevidierte Elberfelder) übersetzte:
Aber das Volk drinnen führte er heraus und legte sie unter eiserne Sägen und Zacken und eiserne Keile und verbrannte sie in Ziegelöfen. So tat er allen Städten der Kinder Ammon. Da kehrte David und alles Volk wieder gen Jerusalem.

[1Chr 20,3] Die Bevölkerung der Stadt ließ David Zwangsarbeiten verrichten. Er stellte sie an Steinsägen, eiserne Pickel und Beile. So machte er es auch mit den anderen Städten der Ammoniter. Dann kehrte er mit dem ganzen Heer nach Jerusalem zurück.

Die alte Lutherbibel (und sinngemäß die nichtrevidierte Elberfelder) übersetzte:
Aber das Volk drinnen führte er heraus und zerteilte sie mit Sägen und eisernen Dreschwagen und Keilen. Also tat David in allen Städten der Kinder Ammon. Und David zog samt dem Volk wider nach Jerusalem.

Die Frage

Warum übersetzte man früher, dass David Gefangene zersägen und verbrennen ließ, während die neueren Übersetzungen hier Zwangsarbeiten beschreiben?

Die Antwort

Die Übersetzung "zersägen" und "verbrennen" beruht einem sprachlichen Missverständnis.

Sie entspricht weder dem Zusammenhang des Textes noch den zeitgeschichtlichen Gegebenheiten.
Die alte Fassung geht auf ein Missverständnis in 1. Chronik 20,3 zurück. Das nur an dieser Stelle vorkommende Verb "wjjsr" wurde als "zersägen" gedeutet. Wahrscheinlich liegt hier ein früher Überlieferungsfehler vor und es ist zu lesen: "wjjsn" (Zwangsarbeit leisten). Beide Verben unterscheiden sich nur durch den letzten Buchstaben. Von daher kam das Zersägen in die alte griechische und lateinische Übersetzung (Septuaginta und Vulgata) hinein. Und von daher wurde auch der Paralleltext 2. Samuel 12,31 von den alten Übersetzern missverstanden.

Das "verbrannte in Ziegelöfen" heißt wörtlich: "ließ sie durch Ziegelformen gehen". Ziegelöfen gab es im damaligen Israel nicht. Die verwendeten Lehmziegel wurden wie in Ägypten an der Luft getrocknet.

Erst in der Römerzeit, im 1. Jahrhundert nach Christus, also 1000 Jahre nach David, setzte man in größerem Umfang gebrannte Ziegeln für Mauerwerk ein. Dazu benötigte man jedoch sehr viel Holz, was schließlich zu einer massiven Bodenerosion führte.

Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass die Israeliten Kriegsgefangene mit zivilen, nicht-kriegerischen Geräten umständlich umbrachten. Dagegen war es üblich, Kriegsgefangene Zwangsarbeiten verrichten zu lassen (siehe 2. Samuel 20,24).

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