Deutsche Wörterbücher erklären Liebe als ein starkes Gefühl der Zuneigung für eine Person. Es ist eine Haltung tiefer und inniger Verbundenheit, die den Nutzen von Beziehungen weit übersteigt. Liebe wendet sich intensiv anderen Menschen zu. Und bei dem, der sich geliebt weiß, erzeugt Liebe ein wunderschönes Gefühl.
Liebe kann aber auch in ein heftiges, ungestümes Gefühl ausarten, das dann nicht mehr vom Verstand kontrolliert wird. So wird sie zur Leidenschaft und Begierde wie das Beispiel des Davidsohns Amnon in der Bibel zeigt. Er hatte sich in seine Halbschwester Tamar so verliebt, dass er regelrecht krank wurde. Und als er sie schließlich gegen ihren Willen in sein „Krankenbett“ gezogen und vergewaltigt hatte, verwandelte sich seine Liebe in Hass, und er jagte sie aus dem Haus.
Im Deutschen steht Liebe und lieben für Personen, aber auch für viele Dinge, die man einfach nur mag. Man kann die Natur lieben oder die Kunst, die Wahrheit oder schöne Kleider, gutes Essen oder seinen Beruf, seine Familie oder nur sich selbst.
Im Griechischen gibt es mehrere Begriffe für das eine Wort Liebe. Für unser Anliegen ist besonders die damalige griechische Alltagssprache (Koine) interessant, in der auch die Bücher des Neuen Testaments geschrieben wurden. Schauen wir uns zunächst die wichtigsten Begriffe in ihrem biblischen Zusammenhang an.
Agapē ist die opferbereite göttliche Liebe, die Menschen nur von Gott empfangen und weitergeben können. Dieser Begriff war im weltlichen Griechisch extrem selten (nur einmal bezeugt) und kommt deshalb ausschließlich im Neuen Testament (NT) vor. Agapē bestimmt die Liebe der Gläubigen zueinander und zu allen, die Gott geheiligt hat (Joh 13,35; 2Thes 2,10), auch zum Nächsten (Rö 13,10) und letztlich zu allen Menschen (1Thess 3,12; 2Pt 1,7).
Anmerkung: In der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, der sogenannten Septuaginta (LXX) kann der Begriff Agapē aber auch die verquere Liebe des oben erwähnten Amnon zu seiner Schwester bezeichnen. So findet man es in 2Sam 13,15. Allerdings verwendet die LXX agapē auch für die Liebe Gottes zu seinem Volk (5Mo 7,8) und für die Davids zu seinem Freund Jonathan (2Sam 1,26).
agapaō ist das Lieben allgemein. Es wird von Gott selbst und Christus berichtet, und von Menschen, die von der Agapē bestimmt sind. Aber agapaō kann eben auch negativ gebraucht werden, etwa von Bileam, der das Geld liebte (2Pt 2,15) oder von Demas, dem die Welt lieber geworden war (2Tim 4,10). Diese Menschen liebten also Dinge der Welt oder ihr Ansehen bei den Menschen (Joh 12,43) mehr als das, was eigentlich Gott, ihren Nächsten und Glaubensgeschwistern zukommen sollte.
agapētos bedeutet geliebt oder Geliebte(r). So bezeichnet Gott unseren Herrn in den Evangelien sieben Mal als seinen geliebten Sohn (z.B. Mk 1,11). Paulus nennt Timotheus sein geliebtes Kind (1Kor 4,17). Und im Römerbrief bezeichnet er Menschen als Geliebte Gottes (Rö 1,7; 11,28).
phileō meint vor allem die tätige Zuneigung zu nahestehenden Personen. So drückte Petrus seine Liebe zu Jesus aus (Joh 21,15). Auch das Lieben des himmlischen Vaters zu seinem Sohn und zu denen, die zu Jesus gehören, kann so bezeichnet werden (Joh 5,20; 16,27). Im Neuen Testament wird es hauptsächlich für das Lieben in der Familie und in der des Glaubens verwendet. In diesem Sinn finden wir auch die Zusammensetzung philadelphia, geschwisterliche Liebe oder filoxenia Gastfreundschaft (z.B. Hebr 13,1+2). Es gibt im NT allerdings auch Menschen, die die Lüge lieben und tun (Offb 22,15) oder die Pharisäer, die es liebten, ihre Frömmigkeit öffentlich zu zeigen und die Ehrenplätze in den Synagogen einzunehmen (Mt 6,5; Lk 11,43). Es hat also auch einen negativen Beigeschmack bei einem Menschen, der sein Leben liebt und es verlieren wird (Joh 12,25) und es steht für das Küssen des Judas (Mt 26,48).
Das Verb phileō ist also in seinem Gebrauch sehr vielfältig. Selbst im Deutschen verwenden wir es noch für Philosophie (Liebe zur Weisheit), Philologie (Liebe zum Wort, zu Sprache und Literatur) oder Philanthropie (Menschenliebe). Letzteres sollte gerade Christen recht geläufig sein, wenn es auch mit anderen Worten ausgedrückt wird (z.B. 1Thes 3,12; 2Pt 1,7).
Philia im Sinn von Liebe, Freundschaft kommt im Neuen Testament nicht vor.
Erōs ist in der griechischen Mythologie der Gott der begehrlichen Liebe. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass dieser Begriff weder im Neuen Testament noch in der LXX des Alten Testaments vorkommt, zudem er ja nur die sinnlich-erotische Liebe und Leidenschaft bezeichnet.
Anmerkung: Im Hebräischen des Alten Testaments gibt es allerdings einen Begriff ädnah, der mit Liebeslust übersetzt wird und einmal in 1Mo 18,12 vorkommt, als Sara innerlich über die Verheißung Gottes lachte.
ahab bedeutet hauptsächlich lieben. Wie bei agapaō im NT kann es die Liebe zu Gott meinen, die den Israeliten in dem großen Gebot befohlen wurde (z.B. 5Mo 6,5; Jos 22,5) und die Liebe zum Nächsten (3Mo 19,18). Es kann auch die Liebe zur Wahrheit (Sach 8,19) oder zum Streit (Spr 17,19) bezeichnen, zur Bestechung (Jes 1,23) oder zum Betrug (Hos 12,7), zur Familie oder zum Essen. Es kann auch sexuelle Liebe meinen wie bei Simson (Ri 16,4). Und Gott liebt natürlich sein Volk, wie es mehrfach zum Ausdruck kommt (z.B. 5Mo 4,37; Jer 31,3).
Ahabah ist das Substantiv dazu und bedeutet Liebe zwischen Mann und Frau, auch Freundschaft und natürlich ebenfalls die Liebe zwischen Gott und seinem Volk. Das gegensätzliche Beispiel ist wieder die Liebe Amnons, die in Vergewaltigung endete (2Sam 13,15).
jadid ist das Adjektiv geliebt und bezieht sich hauptsächlich auf das von Gott geliebte Volk, seine Geliebten.
Aus dem Vorkommen eines einzelnen Begriffs kann man – außer bei dem Substantiv Agapē im Neuen Testament – nicht darauf schließen, welche Art der Liebe oder des Liebens grundsätzlich gemeint ist. Das ergibt sich immer nur aus dem Gebrauch der Vokabel in ihrem unmittelbaren Zusammenhang. Selbst bei Agapē könnte einige Male die menschliche Liebe gemeint sein, wenn etwa die Liebe bei den meisten erkaltet (Mt 24,12) oder wenn man nur mühsam jemand in Liebe ertragen kann (Eph 4,2). Man kann es aber auch so verstehen, dass wir der von Gott geschenkten Liebe in uns nur zu wenig Raum geben. Darüber mehr bei der Praxis. Wir müssen also vorsichtig sein, denselben Begriff immer gleich verstehen zu wollen. Jedes Mal ist der Zusammenhang im Bibelvers mit zu beachten.
Letztlich kann jeder biblische Begriff im guten oder bösen Zusammenhang vorkommen. Also auch das Lieben Gottes und unseres Herrn kann nicht nur mit agapaō, sondern auch mit phileō bezeichnet werden. Der Unterschied zwischen den beiden Vokabeln, die im Gespräch unseres Herrn mit Petrus vorkommen (Joh 21,15-17), sollte deshalb nicht überbewertet werden.
Viel wichtiger als alle Wortklauberei ist unser Gott in seiner Macht und Liebe, denn mit ihm hat alles begonnen. Am stärksten wird das wohl von dem Jünger ausgedrückt, den Jesus ‹besonders› liebte. Durch den Geist Gottes geführt formulierte Johannes in seinem ersten Brief zweimal die ungeheure Aussage: Gott ist Liebe (4,8.16). Das bedeutet, dass Gott ewig anderen von sich selbst gibt. Und das ist ein Teil seines Wesens: Selbsthingabe zum Nutzen anderer. Schon im Alten Testament wird das in Gottes Liebe zu seinem Volk deutlich:
Und weil er deine Vorfahren geliebt und ihre Nachkommen erwählt hat, führte er dich in eigener Person und mit großer Kraft aus Ägypten heraus (5Mo 4,37).
Kein Bote und kein Engel – er selbst hat sie befreit! / Aus Liebe und Erbarmen hat er sie erlöst, / sie aufgehoben und getragen in all den Tagen der frühen Zeit. (Jes 63,9).
Weil Gott Liebe ist, kann Johannes schreiben,
dass diese Liebe aus Gott auch zu uns gekommen ist. Sichtbar geworden ist es dadurch, dass er seinen einen und einzigartigen Sohn in die Welt sandte, um uns in ihm das Leben zu geben. Nicht wir haben angefangen, Gott zu lieben, sondern er hat uns geliebt. Und wenn jemand in dieser Liebe lebt, macht er deutlich, dass er aus Gott geboren, also ein Kind Gottes ist. Wer nicht liebt, hat Gott nicht einmal erkannt (nach 1Joh 4,7- 16).
Der Apostel Paulus fügt Rö 5,5 hinzu:
Gott hat uns mit dem Heiligen Geist, den er uns geschenkt hat, auch seine Liebe ins Herz ausgegossen.
Und den Thessalonischer schrieb er:
Was allerdings die geschwisterliche Liebe betrifft, muss man euch nicht extra schreiben. Denn Gott selbst hat euch schon gelehrt, einander zu lieben (1Thes 4,9).
Petrus fügt hinzu:
Ihr habt der Wahrheit gehorcht und euch dadurch gereinigt, sodass ihr jetzt zu aufrichtiger geschwisterlicher Liebe fähig seid. Bleibt nun auch dabei, euch gegenseitig mit reinem Herzen zu lieben (1Pt 1,22).
Dass wir überhaupt fähig sind, unsere Geschwister zu lieben, haben wir von Gott bekommen. Mit Gefühlen hat das wenig zu tun, sondern mit dem Glauben an die göttliche Wahrheit.
Auch die Liebe in der Ehe, zu den Geschwistern in der Gemeinde und zu unseren Nächsten kann auf Dauer nicht funktionieren, wenn wir uns dabei nur auf unsere Gefühle stützen. Schön, wenn sie da sind, aber sie bilden nicht die Grundlage. Wir müssen uns an das erinnern, was Gott uns bereits geschenkt hat
In unserer Liebe zu Gott, dem Vater, und zu Jesus Christus, unserem Herrn, kann unsere ganze Praxis zusammengefasst werden.
Überlegen wir einmal, wie wir Gott und unseren Herrn Jesus Christus lieben können. Dass wir es können und sollen, haben wir schon bei Petrus und Johannes gelesen. Und wie wir es tun sollen, sagt uns der Herr unmissverständlich: „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote befolgen. – Wer mich liebt, wird sich nach meinen Worten richten.“ (Joh 14,15.23) Hier ist zuerst die ganze Gemeinde angesprochen (die Jüngerschaft vor Ort) und natürlich auch jeder Einzelne.
Das, was der Herr uns heute sagen will – also auch seine Gebote – hat er uns in den Evangelien aufschreiben lassen (manches sogar viermal). Wir brauchen es nur zu finden, zu lesen, zu verstehen und eben zu tun – mit anderen gemeinsam oder allein. Dabei werden wir merken, dass vor allem die Umsetzung ins Tun manchmal fast unmöglich erscheint.
Aber das führt uns automatisch zum nächsten Ausdruck unserer Liebe zu Gott, zum Beten. Weil wir ihn lieben, sprechen wir zu ihm, danken ihm oder bitten um Hilfe. Nehmen wir zum Beispiel das Gebot, unsere Nächsten zu lieben, zum Beispiel die Nachbarn. Wenn ich das wirklich will, fallen mir die Namen auch tagsüber ein und ich bete für sie, gerade auch, wenn sie noch keine Verbindung zum Herrn haben. Oder ich bete für mich, dass ich dem einen freundlich begegnen kann oder Geduld mit der habe, die mir immer wieder auf die Nerven geht. Ja, auch das ist ein Ausdruck meiner Liebe zu meinem Herrn. Er möchte das.
Viele Tätigkeiten und Eigenschaften der Liebe werden uns in 1Kor 13 genannt. Da sind zunächst Dinge, die man vermeiden soll: Neid, Wichtigtuerei und Angeberei, Taktlosigkeit und Egoismus, Böses nicht nachtragen (weder mit Worten noch in Gedanken), und natürlich freut man sich nicht, wenn ihnen Unrecht geschieht. Das ist alles schon eine ganze Menge und ist Ausdruck meiner Liebe! Dann kommen noch die positiven Dinge: Geduld und Freundlichkeit (das wird auch an anderen Schriftstellen genannt) und Freude, wenn die Wahrheit siegt. Und dann noch der gewaltige Abschluss: „Sie erträgt alles; sie glaubt und hofft immer. Sie hält allem stand.“ (1Kor 13,7)
Wer das tut oder erträgt oder vermeidet, macht es aus Liebe zu Gott und seinem Herrn Jesus Christus. Natürlich werde ich oft scheitern, aber dann komme ich gleich wieder zu meinem Herrn und bitte um Vergebung. Schon, dass ich seine Nähe suche, ist Ausdruck meiner Liebe zu ihm. Und durch diese enge Verbindung mit meinem Gott, wächst auch die Frucht des Geistes in und an mir.
Bei allem, was ich in Gedanken, Worten und Werken tun oder lassen soll, brauche ich meinen Gott und Herrn. Allein bin ich verloren. Und immer, wenn ich um Hilfe bitte, ist das ein Ausdruck meiner Liebe zu ihm, denn ich möchte ihm ja gefallen. So liebe ich die Liebe in Person.

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