Vorwort1. Mose 3, 1-8: Die Schlange war listiger als all die Tiere, die Jahwe-Gott gemacht hatte. Sie fragte die Frau: "Hat Gott wirklich gesagt, dass ihr von keinem Baum im Garten essen dürft?" 2 "Natürlich essen wir von den Früchten", entgegnete die Frau, 3 "nur von den Früchten des Baumes in der Mitte des Gartens hat Gott gesagt: 'Davon dürft ihr nicht essen – sie nicht einmal berühren –, sonst müsst ihr sterben.'" 4 "Sterben?", widersprach die Schlange, "sterben werdet ihr nicht. 5 Aber Gott weiß genau, dass euch die Augen aufgehen, wenn ihr davon esst. Ihr werdet wissen, was Gut und Böse ist, und werdet sein wie Gott." 

 6 Als die Frau nun sah, wie gut von dem Baum zu essen wäre, was für eine Augenweide er war und wie viel Einsicht er versprach, da nahm sie eine Frucht und aß. Sie gab auch ihrem Mann davon, der neben ihr stand. Auch er aß. 7 Da gingen beiden die Augen auf. Sie merkten auf einmal, dass sie nackt waren. Deshalb machten sie sich Lendenschurze aus zusammengehefteten Feigenblättern. 8 Am Abend, als es kühler wurde, hörten sie Jahwe-Gott durch den Garten gehen. Da versteckten sich der Mann und seine Frau vor Jahwe-Gott zwischen den Bäumen.


Bitte lies noch einmal bis Vers 8! Schon in Vers 3 zeigt sich, wie die Versuchung im Menschen wirkt, denn Eva übertreibt das Gebot. Sie hätte sagen können: „Zur Sicherheit fassen wird die Früchte gar nicht erst an.“ Das wäre völlig in Ordnung gewesen. Aber sie behauptet auf einmal, dass Gott nicht nur verboten hätte, die Früchte zu essen, sondern auch, sie zu berühren. Das ist ein wesentlicher Unterschied, der sich verhängnisvoll auswirkt.

Ähnliche Versuchungen im Neuen Testament

Mt 4,1-11: Als Jesus von Hunger gequält wurde, trat der Versucher an ihn heran und sagte: „Befiehl, dass diese Steine hier zu Brot werden!“ … „Wenn du Gottes Sohn bist,stürz dich hier hinunter!Satan zeigte ihm alle Königreiche der Welt und ihre Pracht ...

Heb 4,15: Jesus sind die gleichen Versuchungen begegnet wie uns – aber er blieb ohne Sünde.

1Jo 2,16: Denn diese Welt wird von der Sucht nach körperlichem Genuss bestimmt, von gierigen Augen und einem unverschämten Geltungsdrang. Nichts davon kommt vom Vater. Es gehört alles zur Welt

Anschließend kann Satan abtreten, denn die böse Saat bringt schon ihre Frucht. Eva verspürt zuerst das körperliche Verlangen, aber es war kein Hunger, sondern ein Gelüst (gut zu essen), dann den ästhetischen Anreiz, der zu einem brennenden Verlangen wird (Augenweide) und schließlich das Begehren nach Erkenntnis, wörtlich „im Wissen zu sein“ (Einsicht versprechend). Das Begehren wird nicht nur durch den Reiz des Verbotenen ausgelöst, sondern durch das geheimnisvolle Versprechen „klug zu werden“. Das gleiche Wort für „Begehren“ kommt auch später in den zehn Geboten vor: „Begehre nichts, was deinem Mitmenschen gehört!“[1]

Diese inneren Bewegungen bringen Eva letztlich dazu, die von Gott gegebene Grenze zu überschreiten. Sie handelt jetzt ganz allein, selbstverantwortlich und sagt auch kein Wort zu ihrem Mann, der neben ihr steht. Dann nimmt sie von der Frucht des Baumes.

Diese Berührung verursachte noch nicht ihren geistlichen Tod. Der trat erst ein, als sie davon aß. Doch in diesem Augenblick wurde sie für Adam das, was die Schlange für sie war. Sie wurde zur Versucherin für ihren Mann. Doch auch der wurde schuldig, indem er wortlos die Frucht nahm und ebenfalls davon aß. Er hatte als Repräsentant der Menschheit[2] die Führungsrolle[3] und Verantwortung, doch er entscheidet sich wissentlich und willentlich gegen Gottes Gebot.

Die Verantwortung Adams

 

Rö 5,14-15: Trotzdem herrschte der Tod schon in der Zeit zwischen Adam und Mose auch über die Menschen, die nicht in derselben Weise wie Adam sündigten  ... Denn wenn die Übertretung eines Einzelnen allen anderen den Tod brachte ...

1Kor 15,21-22: Weil durch einen Menschen der Tod kam, kommt auch die Auferstehung vom Tod durch einen Menschen.Denn wie durch die Verbindung mit Adam alle sterben, so werden durch die Verbindung mit Christus alle lebendig gemacht werden.

Die unmittelbaren Folgen

Nachdem die Menschen das Gebot Gottes übertreten hatten, gingen ihnen zwar die Augen auf, wie der Teufel ihnen versprochen hatte, und sie wussten jetzt auch, was Gut und Böse ist. Aber das erfüllte sie nicht mit Genugtuung, denn sie waren keineswegs Gott gleich geworden. Sehr bald würden sie feststellen, dass sie zwar das Gute erkennen können, aber nicht die Kraft haben, es zu tun. Sie würden auch wissen, was das Böse ist, aber nicht in der Lage sein, ihm zu widerstehen.

Schamgefühle

Das erste, was die Menschen empfanden, war Scham. Auf einmal konnten sie ihre Nacktheit nicht mehr ertragen und bedeckten ihre Blöße mit zusammengehefteten Feigenblättern.

Die Fähigkeit, Scham empfinden zu können ist übrigens ausschließlich menschlich. Wir beobachten das bei keinem Tier. Selbst (angeblich hoch entwickelte) Menschenaffen präsentieren ohne jede Scham ihr Genital und kopulieren in aller Öffentlichkeit.

Aber Scham in kein angenehmes Gefühl. Schamgefühle gehören zu den stärksten, unangenehmsten und intimsten menschlichen Regungen.[4] Trotzdem ist Scham wichtig, denn sie schützt die Grenzen unserer Intimität und die Grenzen der anderen. Gott hat dies kurz darauf ausdrücklich bestätigt, indem er den ersten Menschen Kleidung verschaffte, mit der sie ihre Blöße bedecken konnten.

Schuldgefühle

Die Gefühle, von denen die Menschen gleich darauf überfallen werden, sind Schuld und Angst. Schuldgefühle sind ohnehin eng mit den Schamgefühlen verbunden. Bei Adam und Eva zeigte es sich darin, dass sie sich vor Gott versteckten. Sie wussten jetzt, dass sie ihm gegenüber böse gehandelt hatten und deshalb stieg auch das Gefühl der Angst vor Gott in ihnen auf.

Doch wenn Scham und Schuld nicht in die Gegenwart Gottes gebracht, sondern verdrängt werden, kann es den Menschen in einen Strudel von Scham-, Schuld- und Versagensgefühlen hineinreißen, aus dem er allein nicht mehr herauskommt.

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[1] 2. Mose 20,17

[2] Das wird auch in der Benennung „Mensch“ (Hebr.: Adam) in 1Mo 5,2 deutlich. Gott hat die Menschheit weder geschlechtsneutral nach weiblich „Eva“ genannt.

[3] Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass Gott nach dem Sündenfall zuerst Adam ansprach.

[4] Nach U. Baer.

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