Spieker, Markus. Crazy World. Wie man in verrückten Zeiten einen klaren Kopf behält. Basel: Fontis 2025. 263 S. Paperback: 24,90 €. ISBN: 978-3-03848-304-5 

Dr. Markus Spieker arbeitet als Chefreporter für den MDR. Er war jahrelang Korrespondent im ARD-Hauptstadtstudio und Leiter des ARD-Studios Südasien. Der Bestsellerautor lebt jetzt in der Nähe von Leipzig. Er bezeichnet sich selbst als „christlich humanistischen Realisten – im christlichen Glauben verankert, dem Menschenwohl verpflichtet, aber auch dem Realitätsprinzip.“ … „Extremistische Positionen jeder Art sind mir zuwider.“ (S. 15.)

In seinem Prolog beschreibt der Autor, wie er zu diesem Buch kam. Vor sieben Jahren hatte er sein Buch „Übermorgenland“ fertig gestellt, in dem er sich auch zu einer „Weltvorhersage“ erkühnte. Das Buch wurde ein Bestseller und seine Vorhersage sogar noch übertroffen. Sein neues Buch will er aber „nicht als selbstbewusstes Manifest, sondern als demütigen Versuch, gegenwärtige Probleme zu beschreiben und lösen zu helfen.“ Er nennt es einen „Leitfaden für die freie Wildbahn des 21. Jahrhunderts“ und präsentiert 21 Ratschläge in drei Etappen: Die Welt verstehen, unser Land verbessern, uns selbst verändern.

Der Leser sollte diese Reihenfolge gut verstehen, sonst wird er sich in den vielen Zitaten aus alter und neuer Literatur, aus Filmen und geschichtlichen Beispielen schnell verwirren und weiß nicht mehr, was der Autor in welchem Zusammenhang eigentlich sagen will. Er selbst erklärt es so: „Meine Tipps gehen vom allgemeinen zum Persönlichen, vom Ernüchternden zum Erhabenen vom Wichtigen zum Noch-viel-Wichtigeren, von Nummer 21 bis zu Nummer 1.“ (S. 16)

Zum Glück findet man im Kopf jeder linken Seite sowohl die Nummer der Etappe als auch deren Titel und auf der rechten Seite die jeweilige Kapitelüberschrift. Wenn man das nicht immer im Blick hat – wie der Rezensent beim ersten Lesen – findet man viel Interessantes, verliert aber schnell den Zusammenhang. Hier ein Beispiel von S. 46 und 47: ERSTE ETAPPE  .  GET REAL! DIE WELT VERSTEHEN: Dann rechts:  BLACK RAINBOW: SEI WACH, NICHT WOKE – aber auch nicht reaktionär (der Teil nach dem Gedankenstrich fehlt aus Platzgründen).

Es folgen einige Textbeispiele, um einen Eindruck vom Stil des Autors zu bekommen:

„ ‚Woke‘ steht für ein aufgewecktes Bewusstsein hinsichtlich sozialer Ungerechtigkeit, hinsichtlich von Diskriminierung ethnischer und sexueller Minderheiten und der Ausbeutung der Natur. Der Begriff war vor 10 Jahren wenig bekannt, dann eine Zeitlang sehr hipp. Nun verwenden ihn vor allem die Kritiker der Bewegung als Schimpfwort.
Die woke Episode ist das Rokoko der westlichen Nach-1945-Ära. So wie man am Hof von Versailles am Vorabend der Französischen Revolution über die feinsten Manieren palaverte, so erregen sich die Woken heute über die neuesten ‚kritischen Theorien‘.“ (S. 46)

„W‚Es gibt Ideen, von denen kein Denken heil zurückkehrt‘, warnte der Schriftsteller Botho Strauß (geboren 1944).“ (Die Quellenangabe findet sich in den 126 Anmerkungen am Schluss des Buches.)

„Den Schaden des Trans-Hypes tragen vor allem jugendliche Mädchen davon. Bei ihnen ist die Nachfrage nach Geschlechtsumwandlungen in den letzten Jahren dramatisch gestiegen. Wenn Pubertätsblocker an Teenager verabreicht werden, hört aus der Sicht sogar vieler gutmeinender Linker, der Spaß endgültig auf.“ (S. 47)

„Die Frage ist, wie es überhaupt so weit kommen konnte.
In ‚Übermorgenland‘ habe ich noch gescherzt: ‚Grau ist alle Gendertheorie‘. Ich konnte mir schlichtweg nicht vorstellen, dass die abstrusen Wirklichkeitskonstruktionen von weltfremden Geisteswissenschaftlern den Weg aus den Hörsälen in die hohe Politik finden würden. Ich hatte erwartet, dass Fakten und der gesunde Menschenverstand schwerer wiegen. Ich habe mich getäuscht, weil ich den quasireligiösen Charakter der woken Bewegung unterschätzt habe. Es handelt sich um eine weitere Variante jener säkularer Heilsideologien, die durch die fortschreitende Entchristlichung des Abendlandes immer größeren Zulauf bekommen.“ (S. 47)

Am Schluss der zweiten Etappe, Kapitel 8 wird er deutlich: „Wer von ausschließlich zwei biologischen Geschlechtern redet, hat zwar die naturwissenschaftlichen Fakten auf seiner Seite, verstößt aber gegen den Wertekonsens der progressiven Kulturelite, nämlich die Überzeugung, dass jeder Mensch sich selbst erfinden kann und damit auch sein eigenes Geschlecht.“ Er empfindet den Druck, die menschliche Zweigeschlechtlichkeit zu leugnen, „als schiere Unverschämtheit“ (S 170).

Die dritte Etappe nennt er: „GO DEEP, GET HIGT! Uns selbst verändern.“ (Offenbar will der Autor mit seinem Stil hauptsächlich Intellektuelle erreichen.)

Im letzten Teil nähert er sich deutlicher dem christlichen Glauben, den er korrekter mit „Gottvertrauen“ übersetzen möchte. Und er sucht auf seine Weise wieder die Gemeinschaft mit Menschen, die auf Jesus hoffen. „Make Jesus GREAD Again. Und: Make Jesus WEIRD Again. Damit meine ich nicht ‚seltsam‘ oder ‚verschroben‘, sondern mysteriös, überraschend, unbegreiflich, kollosal interessant.“ (S. 226)

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