… und ein schwieriger Bibelvers wie 1Sam 13,1 sich in Wohlgefallen auflöst. Warum übersetzt du 1Sam 13,1: „Saul war 30 Jahre alt, als er König wurde, und regierte eine Zweizahl von Jahren über Israel“? Paulus verkündigt jedoch nach Apg 13,21, dass König Saul 40 Jahre über Israel regiert hätte.

Um das alles plausibel zu machen, brauchst du außerdem zwei Fußnoten. Die Elberfelder Bibel übersetzt: „Saul war … Jahre alt, als er König wurde; und er regierte zwei Jahre über Israel.“ – ebenfalls mit einer Fußnote und dem Verweis auf die Apostelgeschichte.

War Saul nun X Jahre alt und regierte nur zwei Jahre über Israel oder 40?

Tatsächlich findet sich in den ersten drei Worten des hebräischen Textes von 1. Samuel 13,1 gar keine Zahl, sehr wohl aber am Ende des Verses eine Zwei. Und bei der ältesten Übersetzung des Alten Testaments ins Griechische, der Septuaginta (LXX), fehlt der Vers ganz. So jedenfalls nach den wichtigsten Textzeugen. Nur wenige spätere Handschriften der LXX haben als Altersangabe für Saul eine Dreißig stehen.1 John MacArthur bietet in seiner Studienbibel als beste Rekonstruktion an:

Saul war ein (und vielleicht 30) Jahre alt, als er die Herrschaft antrat, und nachdem er zwei Jahre über Israel regiert hatte, wählte sich Saul …

Die Kommentare, die ich konsultiert hatte, bieten auch keine besseren Lösungen an. Es bleiben zwei Fragen:
1. Enthalten die ersten drei Worte im hebräischen Text wirklich eine Altersangabe für Saul? 2
2. Meinen die zwei Jahre am Ende des Verses wirklich die Dauer der Regierungszeit Sauls?

Neuere Ãœbersetzungen lassen zumindest die erste oder sogar beide Zahlen weg, wie etwa die katholische Jerusalemer Bibel:

Saul war … Jahre alt, als er König wurde, und er herrschte … Jahre über Israel.

Diese Übersetzungen verstehen den Text als einen zusammenhängenden Satz, der ursprünglich (vielleicht) das Alter Sauls bei Regierungsantritt und (eventuell) die Dauer seiner Regierung über Israel enthielt. Wie haben das die alten evangelischen Übersetzer gesehen?

An erster Stelle steht die Lutherbibel von 1545:

Saul war ein jar König gewesen / vnd da er zwey jar vber Jsrael regiert hatte / erwelet er jm …

Luther verstand den zweiten Teil des Verses offenbar nicht als Sauls Regierungszeit, sondern als das, was dieser nach zwei Jahren seines Königsseins tat. So auch die beiden nächsten Übersetzungen.

Die Schlachterübersetzung von 1905 gibt den Text ähnlich wieder:

Saul war ein Jahr König gewesen, und nachdem er zwei Jahre über Israel regiert hatte, da erwählte sich Saul …“

So übersetzen auch die jüdischen Gelehrten Martin Buber und Franz Rosenzweig 1929 sehr wörtlich:

Ein Jahr alt war Schaul damals in seinem Königswesen. Als er zwei Jahre über Jissrael König gewesen war, wählte sich Schaul …

Möglicherweise muss man die hebräische Formulierung Ben Schanah Schaul (ein Sohn von Jahr war Saul), die sonst im Alten Testament immer mit dem Alter der Person wiedergegeben wird, 3 doch anders verstehen. Der hebräische Text muss hier aber nicht unbedingt ein Alter meinen. Gerade weil keine Zahl angegeben ist und dennoch „Jahr“, kann nur ein Jahr im Leben Sauls gemeint sein. Welches Jahr, das ergibt sich dann aus den Kapiteln vorher. Es geht um die Zeit nach seiner Salbung durch Samuel und der Verwandlung seines Herzens (1Sam 10,1-10).

Aus diesem Grund habe ich 1Sam 13,1 jetzt so wiedergegeben:

Ein Jahr verging, bis Saul ‹nach seiner Salbung öffentlich als› König ‹eingesetzt› wurde. Und nachdem er zwei Jahre König war, wählte er sich …

Die Zeit, bis Saul die drei militärischen Einheiten zu seinem Schutz auswählte, können wir demnach so beschreiben:

Zum König gesalbt

Saul wird von Samuel zum König gesalbt (1Sam 10,1). Noch am selben Tag verwandelt Gott sein Herz durch seinen Geist (V. 9-10).

Saul kehrt zu seinem Vater zurück, erzählte aber nichts von dem, was er erlebt hatte (1Sam 10,16).

Zum König proklamiert

Samuel beruft einige Zeit später eine Volksversammlung nach Mizpa ein, bei der auch die Sippe Matri anwesend ist, zu der Saul gehört. Saul selbst hält sich versteckt (1Sam 10,17-22). Er wird aber durch Gottes Hilfe entdeckt und öffentlich zum König ausgerufen (V. 23-24). Samuel trägt dem Volk die Rechte des Königtums vor (V. 25).

Saul kehrt wieder nach Hause zurück. Er hat Anhänger, aber auch Gegner. Doch er arbeitet einfach weiter in der Landwirtschaft (1Sam 10,26-27; 11,5). Formal war er jetzt zwar König, wurde aber von sich aus noch nicht aktiv. So vergehen fast zwei Jahre.

Führungsqualität bewiesen

Dann erreicht Saul die Nachricht von der drohenden Eroberung und Demütigung der mehr als 80 km entfernten ostjordanischen Stadt Jabesch. Da wird er erneut vom Geist Gottes erfüllt und ruft Israel mit Zorn und aller Entschlossenheit zum Kampf (1Sam 11,1-7). Er schlachtet zwei seiner Rinder, zerstückelt sie und schickt die Teile mit einer Drohung zu allen Stämmen Israels.

Bei der Stadt Besek im Westjordanland, 20 km von Jabesch entfernt, mustert Saul das Volk (V. 8). Er lässt den Einwohnern eine gute Nachricht zukommen, wählt eine geschickte Taktik gegen den Feind und schlägt die Angreifer vernichtend an einem Tag (V. 9-11).

Danach weist Saul Rachegelüste einiger Leute aus Israel gegen seine internen Gegner deutlich zurück (1Sam 11,12-13).

Bestätigung des Königs

Nach dem Sieg ruft Samuel die Kämpfer Israels zu einer Versammlung nach Gibea, um das Königtum Sauls zu erneuern (1Sam 11,14-15). Dort hält Samuel auch seine Abschiedsrede als regierender Richter und ermahnt die Israeliten dringend, Jahwe treu zu bleiben. Gleichzeitig versichert er, weiterhin für sie zu beten (1Sam 12,1-25).

Berufung einer Leibgarde

Jetzt beruft Saul drei militärische Einheiten als eine Art Leibgarde für sich und seinen noch sehr jungen Sohn Jonatan. Den Rest des Volkes entlässt er wieder nach Hause (1Sam 13,1-2). So beginnt er mit dem Aufbau seiner Machtbasis und einer königlichen Verwaltung wie es den Rechten entsprach, die Samuel dem Volk schon früher vorgetragen und in Mizpa schriftlich niedergelegt hatte (1Sam 8,10-23; 10,25).

Bis zu den nachfolgend berichteten Ereignissen vergehen wieder einige Jahre. Jonatan ist inzwischen ein Kämpfer geworden (1Sam 13,3).

Insgesamt war Saul nach Apostelgeschichte 13,21 vierzig Jahre König – leider dann nicht mehr so positiv wie am Anfang.

 

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