In anderen Kisten fand er Bücher und an die 1200 handgeschriebene Seiten. Sie enthielten auch die Interpretationen seines Vaters zu jedem einzelnen Bild. Erst dann begriff er, dass sein Vater im Verborgenen die gesamte Bibel, fast jedes Kapitel, gemalt hatte. Sechzehn Jahre seines Lebens hatte der Vater in seiner speziellen Bildsprache daran gearbeitet. Er hatte Geschichtstexte und Gesetze, Psalmen und Sprüche, Evangelien und Briefe, Propheten und die Offenbarung in Bilder umgesetzt.

Große Ernte und Berufung der Zwölf Die große Ernte und die Berufung der Jünger (fünf Einzelblätter aneinandergefügt)

Willy Wiedmann war auch ein begnadeter Musiker. Damit finanzierte er sein Studium und sein Leben. Unter anderem spielte er im Württembergischen Staatstheater und bekannten Orchestern. 1960 bestand er die Aufnahmeprüfung an der Akademie der bildenden Künste in Stuttgart. Dort entwickelte er seinen eigenen Malstil, die Polyconmalerei, abgeleitet aus den griechischen Worten polys = viel und icon = Bild, Tafel. Es ist eine Art Vielwinkelmalerei. Neuartig dabei war, dass Bilder nicht als einzelne Werke stehen müssen, sondern sich ohne Unterbrechung aneinander reihen lassen (hier 5 Bilder: große Ernte und Berufung der Jünger). So entstand ein neuartiges System der Bildbetrachtung, abstrakt und gegenständlich. Es ist wie eine Art von Notenschrift für moderne Musik.

ArcheDie Geschichte der Arche Noah umfasst noch viel mehr Blätter des Originals

Wie Willy Wiedmann darauf kam, die ganze Bibel, jedes Kapitel, manchmal sogar einzelne Verse zu malen, wissen wir nicht. Er war damals kein gläubiger Mensch. Vielleicht hat der Auftrag, die Pauluskirche in Stuttgart Zuffenhausen auszumalen, den Grundstein für sein Lebenswerk gelegt. Und das wiederum hat ihn geprägt und offenbar auch verändert. Er wollte die Bibel, ja jeden einzelnen Vers, verstehen und es dann in Bilder übersetzen. Als Hilfe dazu hatte er sich vierzig Bibelübersetzungen angeschafft und suchte darin so lange, bis er meinte, den Text verstanden zu haben.

Seine Idee war, eine Bibel zu schaffen, die Christen aller Sprachen – selbst Analphabeten – verstehen können. Manchmal wollte er fast aufgeben und mit manchen Inhalten hatte er inhaltliche  Schwierigkeiten. So zum Beispiel mit den Opfergesetzen im Alten Testament und dem vielen Blut, was dabei geflossen ist. Aber er hat durchgehalten. Und das hat ihn verändert.

Turmbau zu BabelDer Turmbau zu Babel und die Sprachenverwirrung

Nachdem er die Arbeit vollendet hatte, schrieb Willy viele Verlage an, bekam aber immer Absagen, weil die Verlage diese monumentale Arbeit damals aus technischen Gründen nicht bewältigen konnten. So packte er alles in vier große Alu-Kisten und hoffte, dass die 3333 Originale im Format von 35x35 cm doch noch entdeckt und vielen Menschen zugänglich gemacht werden könnten.

An dieser Stelle kommt Martin Wiedmann ins Spiel, der sich der Sache seines Vaters annahm. Das war auch in seinem Leben eine Art Führung. Es bedeutete für ihn fünf Jahre Forschungsarbeit, den Einsatz erheblicher finanzieller Mittel und modernster Technik. Immer wieder kam es auch zu Begegnungen mit Menschen, die neue Möglichkeiten zur Präsentation eröffneten.

Über den ganzen Werdegang berichtet er selbst in einem interessanten Interview mit Thomas Meyerhöfer. https://www.thewiedmannbible.com/post/der-schatz-unterm-dach?lang=de

Eine kurze Vorstellung der umfangreichen Homepage für diese weltweit einmalige "Bibelübersetzung" findet sich unter Empfehlenswerte Seiten und Entdeckungen.

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